
Rede zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem die Bauordnung für Wien geändert wird (Bauordnungsnovelle 2021), Wiener Landtag, 24.11.2021
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, sehr geehrte Damen u. Herren,
ich werde mich in meiner Rede auf den Bereich des schützenswerten Altbaubestandes konzentrieren. Auf die anderen Bereiche, die von dieser Bauordnungsnovelle berührt werden, wird meine Kollegin Heidi Sequenz noch eingehen. Schützenswert ist dieser Altbaubestand nicht nur, wegen des Schutzes des Stadtbildes. Dieser Altbaubestand unterliegt auch dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes und ist damit ein wesentlicher Beitrag zum leistbaren Wohnen in unserer Stadt.
Die vorliegende Bauordnungsnovelle ist in dieser Frage ein Schritt in die richtige Richtung. Angesichts der Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, ist sie aber auch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Angesichts der um sich greifenden Spekulation mit Wohnraum brauchen wir ein mutiges, ein weitsichtiges, ein couragiertes Vorgehen. Und hinter diesem Anspruch bleibt die vorliegende Novelle leider zurück.
Was sind die Herausforderungen? Eine aktuelle Studie des Instituts für Stadt- u. Regionalforschung zeigt das Problem deutlich auf: Erstmals wurde der Rückgang von Zinshäusern in unserer Stadt erhoben: 2007 gab es in Wien 17.829 Zinshäuser. Seither hat der Bestand um Sage und Schreibe 2.117 Zinshäuser abgenommen. 2.117 Zinshäuser. Das entspricht einem Rückgang von 11,9 Prozent. Über 400 Zinshäuser oder 20 Prozent wurden in diesem Zeitraum abgerissen. Die restlichen 80 Prozent wurden in Eigentumswohnungen umgewandelt.
Die Spekulation mit Gründerzeithäusern und anderen vor 1945 errichteten Altbauten ist leider zu einem lohnenden Geschäft geworden. Und das, obwohl ein solches Vorgehen in vielen Fällen gegen die geltende Gesetzeslage verstößt.
Warum ist das so? Widmen wir uns zunächst dem Thema Abriss: Einerseits wird durch den Abriss ein Bauplatz frei, auf dem in der Regel mehr Wohnungen errichtet werden können als im Altbestand. Häufig auch noch in zentraler Lage. Andererseits fallen die Wohnungen in einem Neubau nicht in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes. Die Wohnungen können also teuer vermietet oder sehr teuer verkauft werden.
Spekulant*innen, die ein Haus verfallen lassen, es abreißen und einen Neubau errichten profitieren also massiv. Die Stadt verliert durch den Abriss viele leistbare Mietwohnungen und ein schützenswertes Stadtensemble geht immer weiter verloren. Statt preisgeschützten Mietwohnungen werden teure Miet- oder Eigentumswohnungen errichtet. Dieses Geschäftsmodell müssen wir unterbinden.
Der Abriss von schützenswerten Altbauten wurde durch eine Bauordnungsnovelle 2018 unter Rot-Grün zwar deutlich erschwert. Die Erfahrungen der vergangenen 2 Jahre haben aber gezeigt, dass die bisherigen Regelungen noch nicht ausreichen, um diese Form der Spekulation nachhaltig zu bekämpfen.
Die in der Novelle vorgeschlagenen Geldstrafen für den teilweisen oder vollständigen Abriss eines Gebäudes ohne Bewilligung liegen zwischen 30.000 Euro und maximal 300.000 Euro. Und es sei hier festgehalten: Wir teilen die Absicht, die hinter der Einführung dieser Geldstrafe liegt. Die Strafdrohung ist aber verglichen mit den zu erwartenden Spekulationsgewinnen, viel zu niedrig, um eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Das haben auch Arbeiterkammer und die Bezirksvorstehung Landstraße im Begutachtungsverfahren kritisiert.
Sie wissen alle welche absurden Preise für den Verkauf von Wohnungen derzeit in Wien erzielt werden. Die zu erwartenden Spekulationsgewinne können schon beim Verkauf nur einer einzigen hochpreisigen Eigentumswohnung die Strafobergrenze übersteigen. Bei Abbruch eines Mehrparteienhauses übersteigen die Spekulationsgewinne die Höchststrafe um ein Vielfaches. Diese Höchststrafe bezahlen Immobilienspekulant:innen aus der Portokasse. Wir fordern daher die Erhöhung der Mindeststrafe auf 75.000 Euro und der Höchststrafe auf 750.000 Euro. Einen entsprechenden Abänderungsantrag bringe ich hiermit ein.
Meine Kollegin Heidi Sequenz wird später noch einen Antrag einbringen, der die Streichung der wirtschaftlichen Abbruchreife fordert. Auch das wäre ein wichtiger Schritt, um den Abriss von schützenswerten Altbauten zu bekämpfen, sehr geehrte Damen und Herren.
Diese Zinshäuser sind nicht irgendwelche Wohnungen. Sie stellen eine wesentliche Säule des leistbaren Wohnens in Wien dar. Gerade für Menschen, die neu nach Wien ziehen, sind sie oft das erste Zuhause in unserer Stadt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gegen den Abriss aber auch gegen die schleichende Zweckentfremdung dieser Wohnungen vorgehen.
Wir haben daher mit der Bauordungsnovelle 2018 auch die gewerbliche Vermietung von Wohnungen zu kurzfristigen Beherbergungszwecken in Wohnzonen verboten. Das ist der Kern des Geschäftsmodell von Airbnb u. Co. Leider wird dieses Verbot nicht nur inkonsequent verfolgt – das hat der Rechnungshof in seinem Bericht zu Wohnbau in Wien festgestellt. Es hat sich auch gezeigt, dass das Verbot einige schwerwiegende Lücken hat.
Eine besonders schwerwiegende Gesetzeslücke möchte ich Ihnen hiermit zu Kenntnis bringen, damit sie so rasch wie möglich beseitigt werden kann. Eine Ausnahmebestimmung in der Bauordnung ermöglicht die gewerbliche Nutzung für kurzfristige Beherbergungszwecke in Wohnzonen, wenn zugleich anderer Wohnraum in räumlicher Nähe in zumindest gleichem Ausmaß geschaffen wird. Diese Ausnahmebestimmung muss gestrichen werden.
Ich will ihnen das an einem Beispiel deutlich machen: In einem Gebäude in der Sonnenfelsgasse 7 in der Inneren Stadt wurden bereits bisher – mutmaßlich rechtwidrig – Wohnungen über Plattformen wie Airbnb, booking.com u. Co. Vermietet. Und das, obwohl das Gebäude in einer Wohnzone liegt. Die Grünen haben deshalb am 1. Juli 2021 Anzeige bei der MA37 erstattet. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Ausübung des Gewerbes Beherbergungsbetrieb bei der Behörde gestellt. Das Ergebnis ist: Am 8.11.2021 wurde eine Baubewilligung erteilt. Die Umwandlung von Wohnungen in Appartements wird durch die Stadt genehmigt. Die Bewilligung wird damit begründet, dass Ersatzwohnraum in der Fichtegasse 1A geschaffen wird.
Nun, ich habe mir das Projekt angesehen, in dem Ersatzwohnraum geschaffen wird. Und es sei vorausgeschickt: Es ist aus meiner Sicht sehr naheliegend, dass dieser Wohnraum ganz unabhängig vom Projekt in der der Sonnenfelsgasse geschaffen worden wäre. Wo der Mehrwert des Ersatzwohnraums liegen soll, der eine Umwandlung von Wohnungen in Appartements rechtfertigt, ist also schon aus dieser Erwägung fraglich.
Der Ersatzwohnraum in der Fichtegasse 1A, sehr geehrte Damen und Herren, ist laut Website ab 1,2 Millionen pro Eigentumswohnung zu haben. Ab 1,2 Million wohlgemerkt. Damit ist klar: Mit dieser Baubewilligung wird leistbarer Wohnraum, der dem Schutz des Mietrechtsgesetzes unterliegt, vernichtet. Der Ersatzwohnraum, der dafür angeblich geschaffen wird, liegt im Luxussegment. 58 preisgeschützte Wohnungen werden in 65 Appartements umgewandelt. Dieser Vorgang ist in der Wirkung skandalös und gefährdet leistbares Wohnen, wenn er Schule macht.
Ich finde die Erteilung dieser Baubewilligung zumindest fragwürdig,angesichts dessen, dass in diesem Gebäude zuvor bereits mutmaßlich rechtswidrig gewerblich zu kurzfristigen Beherbergungszwecken vermietet wurde. Das wirkt weder spezial- noch generalpräventiv gegen die gewerbliche Kurzzeitvermietung in Wohnzonen.
Aber einmal angenommen das war aufgrund der geltenden Rechtslage nicht anders möglich: Dann müssen wir die geltende Rechtslage schleunigst ändern. Deshalb bringe ich mit meinen Kolleg*innen einen Antrag ein, der die sofortige Streichung dieses Ausnahmetatbestands fordert. Ich glaube das vorliegende Beispiel zeigt, warum diese Gesetzesänderung so dringend notwendig ist.
Die Frage des leistbaren Wohnens ist nicht nur eine Frage des Gemeindebaus und des geförderten und gemeinnützigen Wohnbaus. Zur Frage des leistbaren Wohnens muss auch der gewerbliche Wohnungsbau seinen Beitrag leisten. In Zeiten, in denen versucht wird Wohnraum zur Profitmaximierung zu missbrauche, braucht es klare Regulierungsmaßnahmen. Wir fordern sie auf, dort wo sie die Verantwortung tragen, diese Regulierungsmaßnahmen mit Mut, Courage und Weitsicht vorzunehmen. Einige Vorschläge unterbreiten wir mit unseren Anträgen.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.
Presseaussendung: Grüne Wien/Prack, Sequenz: Abbruch von alten, schützenswerten Häusern in Wien verhindern