Rede Voranschläge der Bundeshauptstadt Wien für die Jahre 2022 und 2023, Beratung der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen, Wiener Gemeinderat, 30.11.2021.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,
die Wiener Wohnungspolitik ist international ein Vorbild in Sachen Leistbarkeit. Der hohe Anteil an Gemeindewohnungen und gemeinnützigen, geförderten Wohnungen wirken preisstabilisierend. Mit der Einführung der Widmungskategorie geförderter Wohnbau sind wir 2018 gemeinsam einen wichtigen Schritt gegangen. Einen wichtigen Schritt, um gemeinnützigen Wohnbauträgern Grund und Boden zur Verfügung zu stellen, auf dem sie leistbar bauen können. Deshalb begrüßen wir auch dass die Wohnbauförderung weiterhin ausreichend budgetiert ist. Die Grünen, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, werden eine Vorgangsweise, die zu mehr geförderten Wohnbau, zu mehr gemeinnützigen Wohnbau führt, immer unterstützen.
Mehr Gemeindewohnungen bauen
Nicht zufrieden sind wir mit dem Fortschritt beim Gemeindebau Neu. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen liegt hinter dem Plan zurück. Man gewinnt den Eindruck, dass Sie sich noch nicht sicher sind, ob sie es mit dem Gemeindebau Neu wirklich ernst meinen. Ich kann nur an Sie appellieren das Tempo zu erhöhen, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen.
Sanierungsquote erhöhen
Die Stadtregierung hat sich aber auch zum Ziel gesetzt die Treibhausgase bis 2040 netto auf null zu senken. Auch dieses Ziel unterstützen wir. Wir beraten im Rahmen dieser Spezialdebatte auch den Wirtschaftsplan von Wiener Wohnen. Wir alle wissen, dass der Gebäudesektor vielleicht die größte Herausforderung auf dem Weg zur Klimaneutralität ist. Von der Planung bis zur Umsetzung der CO2 Neutralität ist die Zeitspanne beim Gebäudebestand am längsten. Deshalb haben wir für Transformation den größten Zeitdruck. Mit den Maßnahmen, wie sie im Wirtschaftsplan von Wiener Wohnen für das Jahr 2022 geplant sind, kann das Ziel der Klimaneutralität 2040 jedenfalls nicht erreicht werden.
Nein, ich gehe in meiner Kritik sogar noch weiter, sehr geehrte Damen und Herren: Der fehlende Stellenwert, den sie der dringend notwendigen Sanierung des Wiener Gemeindebaus und damit dem Klimaschutz einräumen ist unterlassene Hilfeleistung!
Um die Klimaneutralität von Wiener Wohnen 2040 zu erreichen, braucht es eine Sanierungsquote, die weit über dem selbst gesteckten Ziel von jährlich 7.300 Mietobjekten liegt. Mit den im Wirtschaftsplan vorgelegten Maßnahmen wird nicht einmal dieses Ziel annähernd erreicht. Das hat auch der Rechnungshof zuletzt wieder festgestellt.
Ein längerer Sanierungszyklus und damit spätere Sanierungen verursachen nicht nur höhere Kosten und sind somit unwirtschaftlich. Mit dem vom Rechnungshof festgestellten Sanierungszyklus von 67 Jahren kann die von der Stadtregierung postulierte Klimaneutralität 2040 nicht einmal im ureigenen Wirkungsbereich erreicht werden.
Öffentliche Hand als First-Mover
Das ist unterlassene Hilfeleistungen, sehr geehrte Damen und Herren. Das ist unterlassene Hilfeleistung, weil die öffentliche Hand als First Mover auftreten müsste, nicht als Nachtzügler. Wir wissen alle, dass im Baugewerbe die Kapazitäten für die Transformation erst aufgebaut werden müssen. Wir wissen alle, dass wir mehr Installateure, mehr Elektriker*innen, mehr Bauingeineur*innen brauchen, um die Klimaneutralität zu schaffen. Wir wissen alle, dass wir zehntausende neue Ökojobs brauchen. Die Jobs der Zukunft. Dafür müssen wir Menschen qualifizieren.
Und da ist es entscheidend, dass die öffentliche Hand jetzt massiv als Nachfrager dieser Leistungen auftritt. Für thermische Sanierung. Für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger. Für Innovationen. Damit die Konzepte entwickelt werden, damit die Kapazitäten im Gewerbe aufgebaut werden für die, die dann noch folgen müssen. Für die, die dann noch folgen müssen auf dem Weg zur Klimaneutralität der Gebäude. Damit wir das bis 2040 überhaupt schaffen können.
Wir können nicht erwarten, dass uns private Bauträger die Klimaneutralität vorhupfen, wenn es nicht mal die öffentliche Hand schafft. Wir müssen das als öffentliche Hand vorhupfen. Und damit müssen wir jetzt beginnen. Und dafür sind die Summen, die im Wirtschaftsplan von Wiener Wohnen für Sanierungsvorhaben vorgesehen sind, denkbar ungeeignet.
Schutz der Mieter*innen
Es ist aber auch unterlassene Hilfeleistung gegenüber den Mieter*innen von Wiener Wohnen. Denn die Kosten für fossile Energieträger werden in den nächsten Jahren massiv steigen. Und die Mieter*innen von Wiener Wohnen bleiben dieser Kostenexplosion schutzlos ausgesetzt. Die Kosten für fossile Energie könnte man den Mieter*innen ersparen: Durch thermische Sanierung. Durch den Einsatz von erneuerbaren Energieträgern. Die Gemeindebaumieter zahlen jetzt für die Untätigkeit der Wohnbaustadträte Faymann und Ludwig. Und sie, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, müssen diesen Rückstand jetzt leider aufholen.
Es ist doch allen klar: Die beste Energie ist nicht die erneuerbare Energie. Die beste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen. Mit Investitionen in thermische Sanierung, sparen wir uns die Diskussion über einen Heizkostenzuschuss, wie ihn heute die ÖVP beantragt. Wir können entscheiden, ob das Geld zu österreichischen Unternehmen fließt, die die Klimakrise bekämpfen oder zu russischen Oligarchen, die uns Öl und Gas teurer verkaufen. Der Wirtschaftsplan von Wiener Wohnen verlässt den Pfad zur Klimaneutralität und damit ist er unterlassene Hilfeleistung gegenüber der kommenden Generation, sehr geehrte Damen und Herren.
Wir verlangen daher, dass Sie, Frau Vizebürgermeisterin, einen konkreten Plan vorlegen, wie die Klimaneutralität von Wiener Wohnen bis 2040 erreicht werden soll. Und wir fordern, dass sie die budgetären Voraussetzungen schaffen, die Sanierungsquote auf das notwendige Ausmaß zu erhöhen. Den entsprechenden Antrag bringe ich mit meinen Kolleg*innen ein.
Leerstandsabgabe einführen
Mutlos ist auch die Verweigerungshaltung der Stadtregierung in Sachen Leerstandsabgabe: Immer mehr Wohnungen – vor allem im gewerblich errichteten Wohnungsneubau – stehen leer. Diese Wohnungen werden als Betonsparbücher missbraucht. Das verknappt das Wohnungsangebot und gefährdet die Leistbarkeit. Und es wird sinnlos Boden versiegelt. Sie haben das Problem ja zuletzt selbst in einem Brief an die Bundesregierung angesprochen, Frau Vizebürgermeisterin.
Wien kann hier in Österreich vorangehen und sich mit einer Abgabe auf Leerstand und Zweitwohnsitze zumindest die entstandenen Infrastrukturkosten zurückholen. Selbst wenn man die sehr niedrigen Abgaben der Tiroler Zweitwohnsitzabgabe zugrunde legt, können wir Einnahmen von zumindest 50 Millionen Euro erzielen. Das müsste auch den Finanzstadtrat interessieren.
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Wiener Wohnungsabgabegesetz, auf das sie sich immer beziehen, schließt eine wohnungsmobilisierende Wirkung nicht aus. Das Erkenntnis besagt nur: Die wohnungsmobilisierende Wirkung darf nicht der primäre Zweck der Abgabe sein.
Liebe Kolleg*innen von der SPÖ, sie haben als Kanzlerpartei Jahrzehnte auf Bewegung der ÖVP in der Bundesregierung in Sache Volkswohnungswesen gewartet. Jetzt erzählen Sie uns, dass sie als Oppositionspartei im Bund weiter auf diese Bewegung warten. Ich fordere Sie auf: Handeln sie doch dort, wo sie das können. Ich sag Ihnen was: „Warten auf Godot“ ist vielleicht ein langweiliges Theaterstück. Aber die ewige Wiederholung des Schauspiels „Warten auf den Bund“, dass die Wiener Sozialdemokratie hier in jeder Sitzung zur Aufführung bringt – erst gestern wieder – ist an Fadesse nicht zu überbieten.
Wir bringen daher einen Antrag ein, der die Wohnbaustadträtin und den Finanzstadtrat auffordert, ein Modell für eine Wiener Leerstands- und Zweitwohnsitzabgabe vorzulegen. Geben Sie sich einen Ruck und sorgen sie dafür, dass Wien auch im 21. Jahrhundert in Sachen Wohnungspolitik voran geht.