Der Markt schafft keinen leistbaren Wohnraum (Rede Gemeinderat)

Rede zum Abschluss eines Baurechtsvertrages an der Liegenschaft Wien 11, Neugebäudestraße 102 mit der NGB Immo GmbH & Co KG, Wiener Gemeinderat, 21.09.2022

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, Sehr geehrte Damen u. Herren,

Im vorliegenden Akt geht es um eine Liegenschaft in Simmering, auf der ein denkmalgeschütztes Gebäude steht. Das Gebäude ist eine ehemalige Meierei in der Neugebäudestraße 102. Es gehört zum Ensemble des Schloss Neugebäude.

Ich erlaube mir in dieser Debatte auch die Ablehnung des Post Nr. 26 mit einzubeziehen, weil wir bei beiden Poststücken sehr ähnliche Probleme sehen.

Auch im Post 26 geht es um eine Liegenschaft in einer Schutzzone, auf dem aktuell ein schützenswertes Gebäude steht. Dieses liegt in der Dornbacher Straße 105 in Hernals.

Interessant ist die jüngste Geschichte der beiden Liegenschaften. Die sozialdemokratische Fraktion bzw. das Wohnbauressort ist in den vergangenen Legislaturperioden mehrmals mit dem Ansinnen an die Grünen herangetreten diese städtischen Liegenschaften zu verkaufen. Wir haben das abgelehnt und damit die Privatisierung von städtischem Eigentum verhindert.

Was passiert jetzt? Die beiden Grundstücke sollen im Baurecht vergeben werden. Das ist natürlich deutlich besser, als eine Privatisierung von öffentlichen Liegenschaften. Und ich finde, das ist ein Fortschritt, den man auch anerkennen muss. Meine Vorgänger:innen haben in den vergangenen Perioden auch oft genug mit der SPÖ darüber gestritten. Gestritten darüber, dass Sie aufhören sollen, öffentliches Eigentum zu privatisieren. Wir haben gesagt: Machen wir es wie die katholische Kirche oder die Bundesforste. Behalten wir öffentliche Liegenschaften im öffentlichen Eigentum. Baurecht statt Verkauf ist zur Regel geworden. Das ist ein grüner Erfolg und das ist gut so.

Aber: Nur weil die Vergabe im Baurecht besser ist als der Verkauf, ist die Vergabe im Baurecht nicht generell gut. Denn was passiert im vorliegenden Fall? An wen werden hier die Baurechte bis 2104 vergeben? An private Immobilienentwickler. Und dass der Markt keinen leistbaren Wohnraum schafft, muss jedem klar sein, der die Preisentwicklung am privaten Sektor kennt. Es gibt dazu eine brandaktuelle Studie der Arbeiterkammer. Dass das andere Parteien nicht interessiert, mag sein. Dass die SPÖ das ignoriert, finde ich erschreckend kurzsichtig.

Denn was wird passieren sehr geehrte Damen und Herren? In beiden Fällen werden Luxus-Wohnungen entstehen. Der Markt fragt Anlegerwohnungen nach. Diese Anlegerwohnungen werden häufig nicht einmal mehr bewohnt oder vermietet. Sie dienen als reines Finanzprodukt. Das zeigt die erwähnte AK Studie. Und was macht die Stadtregierung: Sie stellt diesem Markt – diesem Markt der völlig losgelöst vom Wohnbedürfnis der Bevölkerung agiert – sie stellt diesem Markt neues Futter zur Verfügung. Das ist der falsche Weg. Das bringt uns keine einzige zusätzliche leistbare Wohnung

Was hätte man stattdessen tun sollen?

Man hätte das Baurecht an gemeinnützige Bauvereinigungen vergeben und damit für leistbaren Wohnraum sorgen können. Es ist aber gut möglich, dass das finanziell aufgrund des Zustands der Gebäude nicht möglich gewesen wäre. Musste man also hier ein Baurecht an Private vergeben? Nein.

Es gibt in dieser Stadt ein Unternehmen, das genau für diese Fälle gegründet wurde und das mehrheitlich der Stadt gehört. Die WISEG. Die Wiener Substanzerhaltungsg.m.b.H. u. Co KG. Deren Aufgabe laut Website ist die:

„[…] Verwaltung, Sanierung und Bewirtschaftung dieser atypischen Häuser, die in der Regel aus dem 18. Und frühen 19. Jahrhundert stammen […]. Diese Wohnhausanlagen benötigen aufgrund ihres Alters, ihrer Struktur und ihrer Architektur eine spezielle Betreuung, vor allem hinsichtlich der Sanierung und Erhaltung.“

Warum überträgt man diese Gebäude nicht im Rahmen eines Baurechts an die WISEG und stellt eine Generalsanierung sicher? Warum setzt man nicht auf eine Lösung, die unbefristete und provisionsfreie Mietverträge sicherstellt? Warum setzt man nicht auf ein Immobilienunternehmen im städtischen Mehrheitseigentum, das die Einhaltung des Mietrechtsgesetzes sicherstellt? Ich verstehe es nicht.

Es geht offenbar wieder einmal darum, schnelles Geld zu machen. Wie schon in den letzten beiden Legislaturperioden, als die Grünen den Verkauf dieser beiden Liegenschaften verhindert haben. Das ist so kurzsichtig. Schnelles Geld garantiert keinen leistbaren Wohnraum. Der Markt schafft keinen leistbaren Wohnraum. Deshalb muss die Stadtregierung aufhören ihr Eigentum an private Immobilienentwickler zu vergeben. Auch wenn es ein Baurecht ist, schafft der Markt keinen leistbaren Wohnraum.

Und natürlich ist auch nicht sichergestellt, dass ein Abbruch dieser schützenswerten Gebäude ausgeschlossen bleibt. Es ist nur eine Frage der Zeit bis unter dem Vorwand der wirtschaftlichen Abbruchreife eine Abbruchbewilligung bei der Baupolizei einlangt. Und wenn diese Gebäude abgebrochen werden, dann ist auch der Preisschutz des Mietrechtsgesetzes weg.

Leistbares Wohnen braucht langfristiges Denken. Mit jeder Privatisierung von städtischem Grund und Boden, mit jeder Vergabe von Baurechten an private Immobilienentwickler erweisen sie dem leistbaren Wohnen einen Bärendienst.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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