Zweckentfremdung von Wohnungen bekämpfen (Rede Gemeinderat)

Rede Rechnungsabschluss 2020, Beratung der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung u. Frauen, Wiener Gemeinderat, 29.06.2021.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zunächst muss ich nur einmal kurz auf den Debattenbeitrag von Herrn Wiederkehr zurückkommen. Ich fasse zusammen: Man bekommt mehr Ressourcen vom Bund und schafft das Kunststück, trotz dieses Mehr an Ressourcen die Hälfte der Schulen zu Verlierern zu machen – und dann ist der Bund schuld. Sie haben von den bildungsbezogenen Corona-Unterstützungsmaßnahmen, die vom Bund für Wien vorgesehen sind, nur 70 Prozent abgeholt, also würde ich schon sagen, es wäre sinnvoll, vor der eigenen Türe zu kehren.

Nun aber zum Bereich Wohnen: Der Rechnungsabschluss ist auch ein Anlass, zurückzublicken und aus der Vergangenheit Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt auch der sogenannte Anlagenotstand. Auf der Suche nach sicheren Investments versuchen KleinanlegerInnen, aber vor allem auch die institutionellen AnlegerInnen, ihr Kapital immer öfter in Wohnraum zu platzieren. Thomas Ritt von der Arbeiterkammer Wien nennt das die Betonsparbücher. Der massive Zufluss von Kapital in den Wohnungsbestand ist beileibe keine gute Nachricht. Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und insbesondere als Nebeneffekt der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB hat das Kapital massiv in Richtung Wohnungsmarkt gelenkt. Sowohl die Bodenpreise als auch die Eigentumspreise und die Mietpreise sind deshalb seit 2008 massiv und viel stärker als zuvor gestiegen. Es steht zu befürchten, dass dieser Druck auf den Wohnraum durch die aktuelle Wirtschaftskrise noch größer wird, insbesondere auf den privaten Wohnraum, und wir müssen aus meiner Sicht alles dafür tun, um diese Spekulation mit Wohnraum zu verhindern. Die Preisspirale nach oben, gerade bei den privaten Mieten, muss gestoppt werden, sehr geehrte Damen und Herren.

Eine Reform des Mietrechts mit klaren Mietzinsobergrenzen für den gesamten Gebäudebestand, jedenfalls für den, der abfinanziert ist, wäre dringend notwendig. Leider verweigern sich ÖVP, FPÖ und NEOS seit Jahrzehnten einer solchen Reform; die NEOS vielleicht noch nicht seit Jahrzehnten, sondern seit es sie gibt. Mit der rot-pinken Koalition ist uns leider auch ein weiterer Akteur in dieser Frage abhandengekommen, der für eine Mietrechtsreform eintritt, weil wir in Wien jetzt eine Regierungspartei haben, die fest daran glaubt, dass die Mieten eh durch den Markt geregelt werden. Wir können aber auch in Wien viel gegen die steigenden Mietpreise und auch gegen die steigenden Eigentumspreise unternehmen, und ich möchte jetzt drei Beispiele dafür nennen.

Erstes Beispiel: Wir müssen den preisregulierten Bestand an leistbaren Wohnungen erhalten und ausbauen. Der gemeinnützige Wohnbau und der Gemeindebau sind wesentliche Faktoren, die verhindern, dass wir in Wien Mietpreise wie in München oder gar in Paris haben. Da gibt uns ein aktueller Rechnungshofbericht einige Hausaufgaben mit auf den Weg: Wiener Wohnen erreicht nur 45 Prozent der beabsichtigten Sanierungsquote und in diesem Tempo kommen wir auf einen Sanierungszyklus von 67 Jahren statt der beabsichtigten 30 Jahre. Das ist nicht akzeptabel, sehr geehrte Damen und Herren, die Sanierungsquote im Gemeindebau muss deutlich gesteigert werden, und zwar nicht nur, um die Qualität zu erhalten.

Wenn wir die thermische Sanierung des Gemeindebaus nicht massiv forcieren, können wir uns die Klimaneutralität 2040 aufzeichnen. Die Sanierung des Gemeindebaus kann einen großen Beitrag, nicht nur zur Belebung der Konjunktur jetzt in dieser aktuellen Krise, sondern auch zum Klimaschutz leisten, wenn es nicht nur bei den Ankündigungen bleibt, die im Koalitionsabkommen enthalten sind.

Aus meiner Sicht muss jetzt also die Umsetzung erfolgen, sehr geehrte Damen und Herren, und deshalb bringen wir einen Antrag ein, in dem wir Sie auffordern, einen konkreten Sanierungsplan vorzulegen. Wir fordern Sie auf, diesen Plan auch für die MieterInnen transparent zu machen – das war früher so, ist mittlerweile nicht mehr so. Wir sind der Meinung, die Bewohnerinnen und Bewohner des Gemeindebaus haben ein Recht darauf, dass die Stadt sie darüber informiert, wann eine Sanierung ihres Wohnhauses geplant ist.

Gleichzeitig fordern wir auch die Forcierung der Widmungskategorie geförderter Wohnbau, die ein Meilenstein ist, was leistbaren Wohnraum betrifft. Wir haben einen Richtwert von zwei Dritteln geförderter Wohnungen für diese Widmungskategorie vorgesehen und wir werden sehr genau beobachten, ob Sie diesen Anteil bei zukünftigen Widmungsvorhaben auch einhalten. Im freifinanzierten Bereich wird kaum bis gar kein leistbarer Wohnraum mehr errichtet und deshalb sind wir gefordert, den Anteil der geförderten Wohnungen und des Gemeindebaus am gesamten Neubau deutlich zu steigern, weil wir keine leerstehenden Betonsparbücher, sondern leistbare Wohnungen brauchen.

Zweitens, wir müssen den spekulativen Leerstand von Wohnraum bekämpfen. Bis vor einigen Jahren hat sich das Problem des Leerstands in Wien auf eine geringe dreistellige Zahl von Altbauobjekten in zentraler Lage beschränkt, das ist in jedem einzelnen Fall Spekulation mit Wohnraum, die wir zu bekämpfen haben, aber die Größenordnung war im Vergleich zum Gesamtbestand gering. In den vergangenen Jahren ist aber immer mehr Leerstand im Neubau zu beobachten, die sogenannten Vorsorgewohnungen werden zunehmend nicht mehr vermietet. Institutionelle AnlegerInnen kaufen Wohnungen und spekulieren auf die Preissteigerung und MieterInnen werden in dem Zusammenhang als Belastung für die Betonsparbücher gesehen. Dieser Entwicklung, sehr geehrte Damen und Herren, müssen wir einen Riegel vorschieben, deshalb ist es enorm wichtig, Leerstand unattraktiv zu machen und eine Form der Abgabe auf Leerstand einzuführen, weil Wohnraum zum Wohnen und nicht zum Sparen da ist.

Dritter Punkt: Wir müssen sicherstellen, dass der Platz, den wir für das Wohnen vorgesehen haben, auch für das Wohnen genutzt wird. Ich spreche da die gewerbliche Kurzzeitvermietung an. In der Krise haben wir auf einmal haufenweise Wohnungen im Airbnb-Style auf den Immobilienportalen zum Verkauf angeboten gefunden. Diese Wohnungen waren dem Wohnzweck zumindest bis zur Krise dauerhaft entzogen, und das müssen wir verhindern, sehr geehrte Damen und Herren, weil Wohnungen eben zum Wohnen da sind.

Die Stadthotellerie ist durch die Pandemie besonders betroffen, und ich sage Ihnen, wir brauchen keine gewerbliche Vermietung von Wohnraum, die Wohnungen ihrem Zweck dauerhaft entziehen. Wir haben genügend ausgezeichnete Hotels und Beherbergungsbetriebe aller Preisklassen, in denen TouristInnen unserer schönen Stadt nächtigen können. Deshalb sollten wir die gewerbliche Kurzzeitvermietung im gesamten Wohnungsbestand der Stadt verbieten und nicht nur in einigen Teilen. Wir sollten Verstöße konsequent bekämpfen und die zuständigen Behörden mit ausreichend Ressourcen ausstatten. Das hat uns im Übrigen auch der Rechnungshof mit auf den Weg gegeben: Schaffen wir die gewerbliche Kurzzeitvermietung von Wohnraum in unserer Stadt ab, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall.) Zum Abschluss: Wohnen ist ein Menschenrecht und eine marktförmige Organisation dieses Menschenrechts ist nicht möglich. Wir brauchen regulierende Maßnahmen, um leistbaren Wohnraum auch weiterhin sicherstellen zu können. Für jede Maßnahme, die in diese Richtung geht, werden Sie auch in Zukunft unsere Unterstützung haben.

Ich danke für die gute Zusammenarbeit und wünsche einen schönen Sommer.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s