Heute morgen ist mir beim Anblick der Titelseite der Kronen Zeitung so richtig übel geworden. Die meistgekaufte Zeitung im Land titelt mit: „Was die Österreicher sagen: Sperrt Josef F. einfach weg!“ Volksjustiz mit dem Boulevard an der Spitze a la „Na, wir werd’n kan Richta brauch’n“. Wie wenn RichterInnen und Geschworene den Zuruf einer Zeitung brauchen würden um die schrecklichen Taten zu beurteilen. Aber Österreich ist augenscheinlich das Land der Vorverurteilungen.
Der Wunsch nach dem „Wegsperren“ ist Ausdruck eines beginnenden kollektiven Verdrängungsprozesses. Anstatt sich mit dem gesellschaftlichen Bodensatz zu beschäftigen, auf dem solch erschreckende Taten gedeihen, wird der Täter einfach entmenschlicht. Natürlich handelt es sich um eine kaum fassbare Einzeltat. Aber auch die Dunkelziffern von Opfern sexueller Gewalt und das Leid, dass diesen zugefügt wird, sind kaum zu fassen. Zur gesellschaftlichen Reflexion kommmt es trotzdem nicht. „Weggesperrt“ wurden in Österreich übrigens vor nicht allzu langer Zeit geistig und körperlich behinderte Menschen. Oft ein Leben lang unter Bedingungen, die dem Fall Amstetten nicht unähnlich sind.
Vor der „Lektüre“ der Kronen Zeitung war ich noch verwundert, dass diese für F. nicht gleich die Todesstrafe wieder einführte. Im Blattinneren wurde ich eines besseren belehrt. „Keine Details, aber der Mann soll leiden wie seine Opfer“ oder „Was ich dem Herrn wünsch, kann man nicht schreiben. Ich ärgere mich auch, dass er im Prozess auch noch geschützt wird“ hieß es dort in Miniinterviews mit der Bevölkerung. „Meuchelmörder, Leitschinder, die Justiz war heute g’schwinder!“: Joesi Prokopetz hat den Hang der österreichischen Gesellschaft zur Lynchjustiz in „Da Hofa“ treffend beschrieben.
Es ist ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, wenn sie nach so schrecklichen Taten wie jenen von Amstetten keine Reflexion einleitet, sondern sich daran aufwertet diese Taten als „Krankheit“ eines Einzeltäters zu verharmlosen, der die gesellschaftliche „Gesundheit“ gegenübergestellt wird.